Eine Bewegung ließ seinen Kopf gegen den Sog des Windes zu dem zuvor leblosen Körper einige Längen vor ihm zurückzucken. Der Rüde schien zu sich zu kommen - er hob den Kopf, und als seine Augen Ashaî fanden, fixierte er diesen alarmiert. Einige Augenblicke vergingen, bevor der schmale Wolf ihn direkt addressierte. Seine Stimme klang wie eingerostet nach der langen Zeit ohne Gebrauch, aber es sprach entschiedene Feindseligkeit daraus.
Ashaî lächelte nicht, wie er es eigentlich vorgehabt hatte - er fürchtete sein Artgenosse würde sich eher bedroht als beruhigt fühlen von so einer Geste. Deshalb antwortete er so faktisch wie möglich, um ihm die Orientierung zu erleichtern.
"Die Antwort auf alle drei Fragen ist beinahe die gleiche: Ich habe dich hier bewusstlos gefunden, und wollte sicherstellen dass du aufwachst."
Er legte eine kurze Pause ein, abwartend, bis der Andere genug Zeit gehabt hatte den Schock seiner Anwesenheit zu verdauen, dann fuhr er fort.
"Mein Name ist Ashaî. Ich hab kein Interesse daran dir weh zu tun."
Aber es implizierte dass es in seiner Macht stand, ihm weh zu tun. Ashaî zog die Stirn in befremdete Falten. An welchem Punkt seiner Reise hatte er begonnen sich um Macht zu scheren? Das war nicht richtig, und vor allem das war nicht er, zumindest kein er das er sein wollte.
"Ich meine, ich möchte dir helfen, wenn du meine Hilfe gebrauchen kannst.", ergänzte der Rüde deshalb, und das Lächeln stahl sich auf seine Lefzen. Vielleicht war er zu viel Zeit vergangen, seit er mit einem anderen Wolf gesprochen hatte, mit jemandem, der real auf seine Aussagen reagierte, nicht wie die Stimme seiner eigenen Gedanken. Wer hätte gedacht dass man verlernen konnte wie man sich unterhalt?
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mit allen meinen Sinnen an dir branden?
Meine Gefühle, welche Flügel fanden,
umkreisen weiß dein Angesicht.
Siehst du nicht meine Seele, wie sie dicht
vor dir in einem Kleid aus Stille steht?
Gerade als Taréy wieder zu dem Fremden blickte begann dieser anscheinend zu begreifen, was Taréy eigentlich wollte. Der Großteil seines Misstrauens wich Neugierde und der Kleinere betrachtete die beiden Spielenden mit sichtlichem Interesse. Amüsiert über den Wechsel der Gefühle blickte Taréy den anderen noch einen Moment an, ehe er sich wieder auf Akaera konzentrierte.
Als auf Taréys Frage nicht die Fähe, sondern der Rüde antwortete, wandte er sich lächelnd zu eben jenem um. Rakocz. Ein Name, der - entgegen seinem Erscheinungsbild - ein Gefühl von Macht und Respekt in Taréy auslöste. Irgendetwas an ihm ließ den Größeren bei dem Klang des Namens wohlig knurren. Taréy kam in den Sinn, dass man nicht nach dem Erscheinungsbild, der Statur, richten sollte. Die Fairness sich erst dann ein Urteil zu bilden, wenn man den anderen kannte, war eine Eigenschaft, mit der man Edelmut beweisen konnte. Immer noch mit einem Lächeln auf den Lefzen wandte er sich wieder Akaera zu. Immerhin wollte er nicht besiegt werden, nur weil er unachtsam war. Das wäre eine schöne Blamage. Seine Intuition erwies sich als äußerst richtig, denn Akaera sprang in genau diesem Moment auf ihn zu und wollte ihn erneut zu Boden zwingen - so wie sie es in diesem Spiel schon gleich am Anfang geschafft hatte. Ausweichend sprang Taréy zur Seite. Sein Plan war es entgegen Akaeras Richtung einige Schritte zurückzuweichen, um sie erneut dazu zu bringen ihn zu fangen. Mit einem Rakozc, der genau hinter ihm stand, hatte Taréy allerdings nicht gerechnet. Im letzten Moment vor dem Zusammenstoß sprang der Größere über den Schwarzen hinweg ... Wollte es zumindest. Doch die Schwerkraft ging in diesem Kampf als Sieger hervor. Hoch genug konnte Taréy nämlich nicht mehr springen und riss Rakozc mit sich zu Boden. Immer noch lächelnd - diesmal allerdings über das Chaos, das der größere Rüde mal wieder verursacht hatte - blickte Taréy auf den anderen hinab. In einem Knäuel aus Fell lagen die beiden am Strand und die Sonne, die gnadenlos vom Himmel strahlte, schien als wolle sie den Fellhaufen verspotten.
Taréy wollte sich schon aufrappeln und sich den Sand aus dem Fell schütteln, entschied sich jedoch anders. Warum sollte er sich von Rakozc fort bewegen, wo dieser doch ein so weiches Polster bildete? Demonstrativ genießend ließ sich Taréy also wieder auf den anderen Rüden sinken und betrachtete ihn eingehend. Dessen Augen, welche Intelligenz ausstrahlten und die Schmächtigkeit seines Körpers wettmachten. Der Blick darin, der ihm immer noch neugierig begegnete.
Mit einem zufriedenen Schnaufen begann Taréy wieder zur Ruhe zu kommen - ohne Rücksicht auf Rakozc, dem es wahrscheinlich nicht ganz so passte, dass der Größere - und auch Schwerere - nun seelenruhig auf ihm entspannte.
weil nur wenige den reinen Willen haben
gerecht zu sein
und selbst von diesen
wieder die wenigsten die Kraft,
gerecht sein zu können.__
Doch Nemélios würde dem anderen diese Gedanken sicherlich nicht anvertrauen. Seine einzige Chance sein Überleben wahrscheinlicher zu machen würde er sicherlich nicht in den Wind schlagen. Also beschloss er das Misstrauen und die Ablehnung dem anderen gegenüber zumindest etwas zurückzunehmen. Doch wachsam würde er trotzdem bleiben, zu oft wurde er schon hinterrücks von seinen eigenen Rudelmitgliedern gedemütigt.
Der Hunger und das Angebot der Hilfe ließen ihn allerdings trotzdem naiver werden, als er es normalerweise war. Das 'Ich habe kein Interesse daran dir weh zu tun.', das bewusst zu dem Gedanken 'Ich kann es allerdings, würde ich wollen.' anregte, wurde freudig von Nemélios als Hilfsangebot interpretiert. Sogar noch vor dem eigentlichen Angebot, das Ashaî erst ein paar Momente später aussprach.
Das Zittern, das in Nemélios Stimme lag, versuchte er anfangs zu ignorieren, bracht dann jedoch seine Worte ab und atmete tief ein, ehe er weiter sprach.
Der magere Wolf sprach langsam, versuchte trotzdem so viel Würde in seine Stimme zu legen wie ihm nur irgend möglich. Seinen Stolz wollte er sich von seinem Körper nicht auch noch ruinieren lassen, war dieser doch das einzige, das ihm geblieben war, wo er doch sonst nichts hatte.
Nemélios war erschöpf. Es schien ihm, als würde jede Zelle in seinem Körper danach schreien, dass er endlich einschlief. Und diesmal sollte er nicht wieder aufwachen. Kraftlos ließ sich der Hellbraune wieder in eine liegende Position sinken und versuchte den nagenden Hunger zu ignorieren.
Akaera genoss das Spiel von ganzem Herzen. Viel zu lange war es her, seit sie so herum getobt hatte. Was Rakocz von ihr dachte interessierte sie gar nicht, sie musste sich schließlich voll und ganz auf ihren Gegenüber konzentrieren, dessen Kampfkünste nicht von schlechten Eltern waren. Trotzdem freute sie sich, als sie merkte, wie Rakocz langsam seine Scheu gegenüber diesem Spiel - er hatte offensichtlich, genau so wie Akaera zuerst auch, gedacht, dass das gar nicht nur zum Vergügen geschah sondern bitterer ernst war - und dann sogar auf die Frage des Fremden antwortete. Allerdings schien Akaeras Gegner nicht der Meinung zu sein, dass sie eine besonders herausfordernde Angelegenheit war, denn er sah immer wieder zu Rakocz, der ein bisschen weiter weg stand, hin. Doch Akaera beschloss, nicht darauf Rücksicht zu nehmen, und so wartete sie einen Augenblick ab, an dem er sich wieder einmal umwandte, um ihn anzuspringen. Zu Akaeras Überraschung hatte er ihre Bewegung wohl doch aus dem Augenwinkel wahrgenommen, denn er schaffte es auszuweichen. Dabei machte er jedoch einen recht seltsamen Schlenker, der dazu führte, dass er am Ende auf Rakocz landete anstatt auf Akaera, auf die er es wohl ursprünglich abgesehen hatte.
"Huch!" entfuhr es Akaera, die zu den beiden hinüber trottete, weil sie nicht erwartet hatte nicht das Ziel der nächsten Attacke zu werden und das ganze irgendwie ein gar abruptes Ende gefunden hatte. Dann musterte sie die beiden aufmerksam. Rakocz wirkte ein bisschen zerquetscht unter dem Gewicht des viel größeren Rüden auf ihm. Doch anstatt ihn zu bemitleiden, sah ihn Akaera an, als mache sie ihn dafür verantwortlich, dass der Fremde das Geraufe offensichtlich beendet hatte, zumindest war er gerade dabei, es sich auf seinem kleineren Artgenossen gemütlich zu machen.
"Freut mich dich kennen zu lernen, Taréy!" sie lächelte ihn an. Nach ein paar Sekunden fügte sie hinzu: "Ich würde dich bitten von meinem Freund herunterzugehen. Ich bin mir nicht sicher, ob das seine zarten Knöchelchen aushalten." Sie warf den beiden einen schiefen Blick zu.
Es kam für den Rüden so überraschend, dass auf einmal der fremde Rüde auf ihn zusprang, dass er sang- und klanglos unterging. Wie ein Schiffsbrüchiger lag er unter dem Größeren, starrte mit schreckensgeweiten Augen zu ihm hoch. Er war sogar so erschrocken, dass es noch nicht einmal für ein überraschtes Knurren gereicht hatte. Einzig und allein ein Schnaufen zu hören gewesen. Taréy hatte alle Luft aus seinen Lungen heraus gepresst - und nun versuchte Rakocz verzweifelt, dieses Defizit ein wenig auszugleichen, doch der Rüde, der so über ihm thronte, machte ihn unglaublich nervös, sodass es kaum möglich erschien.
Mit einer Entschuldigung wollte sich der Größere wieder erheben - zumindest schien es so. Vielleicht hatte sich Rakocz aber auch einfach nur getäuscht, denn kurz darauf spürte er, wie sich das Gewicht auf seinem Körper wieder erhöhte. Machte es sich... der Andere etwa auch noch.. richtig bequem?!
Überfordert mit dieser Frage und dem Gefühl, das sich dabei in dem zierlichen Rüden ausbreitete, schwieg er, schlug nur nervös mit der Rute auf den warmen Sand. Ein unsteter Rhythmus, der zudem noch von einem nervösen Lefzenschlecken begleitet wurde. Auch, wenn Rakocz seine Scheu für einige Momente abgelegt zu haben schien, weg war sie nie. Nie ganz, schon gleich gar nicht ganz am Anfang, beim Kennen lernen eines neuen Wolfs. Und auch, wenn er den Namen des Anderen inzwischen kannte, so war es für ihn eben immer noch ein Fremder.
Allerdings konnte er es sich auch nicht nehmen, den Rüden über sich zu betrachten, schließlich sogar kurz den Blickkontakt zu erwidern. Dann aber wandte er den Blick ab, auf das Wasser, auf das sie ursprünglich zugelaufen waren.
Leise Pfotentritte machten ihn wieder auf die Fähe aufmerksam, die soeben auf sie zutrat. Der Blick, den sie ihm zuwarf, ließ den zierlichen Rüden noch kleiner werden, zumindest, wenn das überhaupt möglich war. Jedenfalls drückte er sich ganz fest in den Sand, wünschte sich nichts sehnlicher, als dass die Aufmerksamkeit wieder von ihm weggelenkt wurde - doch das war vermutlich ein Wunsch, der nicht sofort in Erfüllung gehen würde, auch, wenn Akaera ihm nun half, indem sie Taréy bat, von ihm herunterzugehen.
Eifrig 'nickte' der junge Wolf, ehe er mit einem leisen: "Das wäre sehr nett!" ebenfalls dafür stimmte.
die sich über die Dinge zieh'n.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn.
Während er diese Worte sprach, suchte Taréy ganz bewusst den Blick des Kleineren. Es war heikel, dass er so offen preisgab, dass der andere Rüde nicht ohne Interesse für ihn war. Doch Taréy nutzte seine jetzige Position, in der Rakocz nicht vor ihm flüchten konnte, um dies für den anderen wohl ziemlich deutlich darzulegen. Zumindest deutlich genug als dass er es begreifen müsste, wenn er so war wie Taréy. Und wenn dies nicht der Fall war und der Kleinere ihn von jetzt an meiden oder gar verachten würde, dann konnte Taréy immer noch die Flucht ergreifen. Für ihn hatte es allerdings so gewirkt, als hätte Rakocz die Nähe nicht merklich gestört - bis auf das Gewicht des größeren Rüdens eventuell. Erst als Akaera begonnen hatte die beiden unverblümt anzustarren, hatte das sachte Wedeln Rakocz Rute gestoppt und sein Blick war in die entgegengesetzte Richtung gewandert. Hatte Taréy eine Chance oder nicht?
Langsam und jede Reaktion des anderen Wolfes beobachtend, stand er schlussendlich auf und wartete. Würde nun Rakocz die Flucht ergreifen oder ihn entgeistert anstarren? Oder wäre es doch Akaera die ihn nun anfallen würde, aufgrund ihres Beschützerinstinkts für ihren neuen Freund? Hatte er so offensichtlich gehandelt, dass sie seine Vorliebe bemerkt hatte?
Noch immer äußerst verwirrt von dem Verhalten des anderen Rüden und der Reaktion seines eigenen Körpers, starrte Rakocz in die grünen Augen, die ihn mit einem Blick bedachten, der ihn nur noch mehr verunsicherte. Aus welchem Grund auch immer, trotz der Verwirrung - oder gerade wegen dieser? -, konnte Rakocz den Blick allerdings nicht abwenden, war viel zu sehr eingenommen von dieser durchaus seltsamen Farbe. Zumindest war es das erste Mal, dass er bei einem Wolf eine solche Farbe der Iriden bemerkte, oder aber, es war ihm sonst nie bewusst geworden.
Endlich ließ das Gewicht, das auf seinem zierlichen Leib gelastet hatte, weniger, ließ ihn freier atmen, bis er schließlich ganz frei war. Allerdings blieb er noch einige Sekunden einfach liegen, schien verstehen zu wollen, was geschehen war - doch er schaffte es nicht. Er wusste nur, dass Akaera ihn so mehr oder weniger gerettet hatte, irgendwie. Und dass er ihr dankbar dafür war, dass sie es gewesen war, die an seine Knochen gedacht hatte. Auch, wenn diese wirklich nicht so zerbrechlich waren, wie es wirken mochte; er generell nicht so zerbrechlich war, wie er wirkte. Auch, wenn er klein war.
Mit einem Mal sprang er auf und machte einige Sätze rückwärts, aus dem Gefahrenbereich hinaus. Wer wusste schon, wann sich Taréy wieder auf ihn legen würde, ihn so offen anstarren würde, dass es ihm ganz flau in seinem Wolfsmagen wurde? - Richtig, niemand wusste das. Niemand, außer Taréy. Ob dieser ihn das nächste Mal vorwarnen würde, wenn er ihn als Liegemöglichkeit missbrauchen wollte?
Er konnte noch nicht einmal sagen, ob es eigentlich schlimm war, wenn sich der Andere so auf ihn legte. Eigentlich war ja nichts dabei, richtig? Dennoch... - ob Taréy ahnte, was er ihm damit antat? - Erneut nervös die Lefzen leckend warf Rakocz einen kurzen, zögernden Blick auf Taréy, ehe er zu Akaera sah, sacht mit der Rute wedelte - fast, als wolle er beiden mitteilen, dass doch eigentlich alles okay war, er sich dessen aber selbst nicht so ganz sicher war.
"...was machen wir jetzt?", wollte der junge Rüde letztlich wissen, lenkte so vielleicht davon ab, wie unschlüssig er sich selbst über die Situation war, während er langsam wieder näher kam, bedächtig eine Pfote vor die andere setzend.
Akaera ließ den Blick zwischen den beiden Rüden hin und her wandern. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass hier etwas sehr seltsames vor sich ging, etwas, das sie nicht verstand. Und das machte sie nervös. Um dieses unwillkommene Gefühl zu überspielen, zuckte sie ungeduldig mit einem Ohr und beobachtete, wie Taréy aufstand. Und Rakocz in einem einzigen kolossalen Sprung nach hinten aus seiner Reichweite entschwand. Jetzt zuckte auch Akaeras zweites Ohr. Sie verstand es wirklich nicht. Deshalb war sie auch unglaublich froh, als sich Rakocz dazu herabließ, wieder ein bisschen näher, quasi in ihren Toleranzbereich, zurückzukehren und dann sogar noch eine vollkommen normale Frage stellte, die Akaera dazu brachte, sich auf etwas anderes zu konzentrieren.
Sogar eine sehr gute Frage. Was sollten sie jetzt tun? Und vor allem - gab es überhaupt ein gemeinsames "sie"?
"Jau...", meinte Akaera einmal diplomatisch, um ihre eigene Unsicherheit zu überspielen.
"Ich persönlich will weiterreisen. Und mir später am Tag mal was zu fressen fangen. Wenn ihr mitkommen wollt, würde mich das natürlich freuen - wir können uns dann die Beute teilen und ..:"
So gut ihre kleine Ansage auch begonnen hatte, jetzt gingen ihr die Worte aus. Sie war es nicht gewöhnt, sich erklären zu müssen - viel zu lange war sie allein oder nur in Gesellschaft ihrer Brüder gewesen.
erwählter Worte je den Reim erreichen,
der in mir kommt und geht, wie auf ein Zeichen,
unausgesprochen, doch stets vorhanden.
Wie als körperliches Zeichen seines Scheiterns senkte sich Taréys Kopf ein Stück und er musterte eingehend die Beschaffenheit des Bodes um sich davon abzulenken. Doch immer wieder huschte Taréys Blick in Rakocz Richtung. Einerseits um sich zu vergewissern, dass der andere immer noch da war und nicht schlussendlich doch noch das Weite gesucht hatte. Andererseits auch deswegen, weil er einfach nicht anders konnte. Der schwarze Pelz schien Taréys Aufmerksamkeit mit solch starker Macht anzuziehen, dass es ihm schier unmöglich war zu widerstehen. Es war überraschend und erschreckend zugleich, dass es Taréy schwer fiel sich zu beherrschen und nicht um Rakocz herumzutänzeln, wie es Rüden normalerweise bei einer läufigen Wölfin taten. 'Verstand wo bis du abgeblieben?', sprach er zu sich selbst.
Erst Akaeras Rede konnte Taréy von seinen Gedanken abbringen und ihn wieder etwas ruhiger werden lassen. Fressen. Das klang wie ein guter Plan. Auch wenn er nicht wusste, ob er seine Gedanken auf eine Jagd fokussiert halten konnte.
Das hing davon ab, wie sich Rakocz verhielt. Wenn es ihm weiterhin so unangenehm war, Taréy in seiner Nähe zu wissen, würde dieser wohl oder übel weiterziehen müssen. Doch wenn Rakocz ihm nur das kleinste Zeichen gab, dass dem doch nicht so war, würde sich der Größere mit Freuden an seine Fersen heften.
Es wirkte tatsächlich so, als wäre die Fähe verwirrt - die, die eben noch total sicher gewirkt hatte, eine Art Leitfaden für Rakocz gewesen war, der sich ihrer Entschlusskraft instinktiv untergeordnet hatte. Dass nun genau diese Fähe die Situation als unangenehm empfand, ließ auch den schwarzen Rüden mit den Ohren zucken, bis er sich dazu zwang, sie still zu halten, den Worten zu lauschen, die die beiden wechselten. Taréy schien noch nicht recht überzeugt, irgendwie, zumindest nicht von einer gemeinsamen Gruppe, über die sich der Rüde wirklich sehr freuen würde, so seltsam dieses Gefühl auch war, das in seiner Magengegend vorherrschte.
Mit einem weiteren nervösen Blick auf Taréy stimmte auch Rakocz zu. "Ich werde ebenfalls mitkommen. Und dann.. dann.." Erneut glitt sein Blick zu Taréy, beinahe, als würde er es von diesem abmachen wollen, ob er weiterhin bei Akaera blieb oder nicht. Doch irgendwie, auf eine gewisse, seltsame Weise war es sogar so, wenn er auch noch nicht wusste, wie es werden würde. Einerseits sträubte er sich dagegen, gemeinsam mit dem Rüden zu wandern, auf der anderen Seite aber waren die wundervollen Iriden so einnehmend, dass er gerne mit ihm ziehen wollte. Mit ihm und natürlich auch mit Akaera.
Mit einem Seufzen hob er die Nase in die Luft, schnüffelte, die Ohren zuckten, alles an dem jungen Schwarzen wirkte aufmerksam. Die Luft des Meeres stieg ihm in die Nase, die Gerüche des Grases, sogar ein paar kleine, fellige Tierchen konnte er ausmachen, doch nichts, das sich für drei Wölfe als anständige Beute erweisen würde. Von Hasen, Mäusen oder kleinen Vögeln, sollten sie diese überhaupt erwischen, würden sie wohl nie alle satt werden.
Also schüttelte er leicht den Kopf, spürte, wie seine Ohren dabei wackelten. Nein, hier war nichts für sie, nicht direkt in der Nähe - außer natürlich, er täuschte sich.
Es kam einem Schielen gleich, das auf einmal in dem Gesicht des Rüden stand. Auf seine Nase blickte er, betrachtete den Schmetterling, ehe er mit einem plötzlichen, kindlichen Sprung nach vorn in seine Richtung sprang, das geflügelte Wesen dadurch von seiner Nase aufwirbelte - nur, um ihm dann schon beinahe enttäuscht nachzusehen, hätte er dieses Tier doch gern noch ein wenig gejagt.
Eine Übersprungshandlung war dieser Sprung vermutlich, geboren aus der Unsicherheit, die er dem erfahreneren Rüden gegenüber verspürte. Dieses kindliche Wesen bot Sicherheit - hier konnte er nichts falsch machen. Er musste einfach nur auf seinen Instinkt hören...
Akaera sah erfreut auf, als ihr Taréy so willig zustimmte. Die Blicke, die die beiden Rüden austauschten ignorierte sie allerdings (weiterhin) geflissentlich.
"Freut mich!", meinte sie an den größeren der beiden gewandt.
"Über den weiteren Verlauf unserer Bekanntschaft können wir ja dann noch reden."
Ihre Worte klange zwar etwas gestelzt, allerdings hatte sie das Gefühl, dass sie in dieser Situation angebracht waren.
Zu Rakozc' Aussage nickte sie nur noch - sie hatte nicht das Gefühl, noch etwas dazu sagen zu müssen, zumal er schon prüfend den Kopf hob, um nach potentieller Beute zu schnüffeln. Allerdings entging ihr nicht, wie er Taréy einen weiteren langen Blick schenkte, bevor er sprach, fast so, als hinge seine Antwort nur von dem farbigen Rüden und nicht von seinem eigenen Befinden und Bedürfnissen ab.
Doch Akaeras Überlegungen wurden schon wieder unterbrochen. Und zwar dieses Mal durch einen kleinen, frechen Schmetterling, der sich auf der Schnauzenspitze des kleineren Rüden niederließ, diesen dadurch zum schielen brachte (ein denkwürdiger Moment), und den Wolf im nächsten Moment einen großen Satz nach vorne machen ließ, wodurch er seinen Besucher wieder von seiner Schnauze vertrieb.
"Huch!", entfuhr es Akaera bei diesem plötzlichen Ereignis. Gleich darauf schlich sich jedoch ein warmes Lächeln auf ihr Gesicht, als sie den kindlich enttäuschten Blick sah, mit dem Rakocz dem kleinen Tier nachsah, das jetzt, da es offensichtlich erkannt hatte, dass es auf seiner Nase nicht fündig werden würde, in einem weiten Bogen zur nächsten Blume flatterte, die sich sachte im Wind wiegte, und dort seinen Rüssel ausrollte um Nektar zu saugen.
"Also, wollen wir? Ich glaube, wir werden im Wald mehr Glück haben als hier."
weil sie kein Urteil über uns hat.
Mit einem Gedankenwirrwarr in seinem Kopf machte er sich auf den Weg zum nahen Wald, in dem sie hoffentlich mehr zu fressen finden würden als herumwuselndes Getier. Er warf seinen zwei Artgenossen noch einen warmen Blick zu und trabte schon mal voraus. Währenddessen dachte er über sein Verhalten nach. Was war das für ein Gefühl in ihm, das ihn so zu Rakocz hinzog? Warum hatte er sich in der Anwesenheit des schwarzen Rüdens nicht unter Kontrolle und verhielt sich so anders als sonst? Aber ... Wusste er überhaupt wie er sich normalerweise in Anwesenheit Gleichgesinnter benahm? Nein. Auch diese Erinnerung steckte in tiefschwarzem Nebel.
Irritiert richteten sich die bernsteinfarbenen Augen auf den bunten Rüden, auf die grünen Iriden, die ihn so warm anblickten. Selbst durch das Fell hindurch hatte er das Gefühl, dass die Nase feucht war, so, wie sie sein sollte, um einen gesunden Wolf anzuzeigen - und es war ein seltsames Gefühl, diese Nase so nah an sich zu wissen, wo sie sich doch zuvor schon so nah gewesen waren. Aber diese Geste... sie hatte nicht die selbe Intention wie die Belagerung zuvor, zumindest zog sich der Größere recht schnell wieder zurück, die Augen dieses Mal nicht belustigt, abwartend, sondern aufmunternd, als wollten sie ihm mitteilen, dass alles in Ordnung war, dieses zierliche Wesen es schaffen würde, zumindest den ganzen Sommer lang. In dieser Hinsicht... war es dann wohl nicht so toll, ein solch geflügeltes Wesen zu sein..
Irgendwie wirkte der ältere Rüde traurig, als er zurücktrat, so, als würde ihm etwas fehlen. Und auch in der Stimme lag irgendwie ein Ton, den er als bedrückt bezeichnen würde, und dennoch wusste er nicht, weshalb das so war, was dieser Tonfall zu bedeuten hatte. Hilflos blickte er zu Akaera hinüber, die aber schien seinen Blick entweder nicht zu bemerken oder einfach zu ignorieren, wendete sie sich doch gerade ab, um Taréy zu folgen, der bereits losgetrabt war. Eilig setzte er ihnen nach, machte drei große Sprünge, die ihn neben Taréy beförderte. Spielerisch stupste er ihn ebenfalls an, gegen die Flanke, ehe er sich über die Lefzen leckte, damit Unsicherheit zeigte, die sonst vermutlich gar nicht aufgefallen wäre. "Sei nicht traurig, der Schmetterling wird sicherlich noch eine schöne Zeit haben. So wie wir. Und wir werden, so wie der Schmetterling, bestimmt auch etwas zu fressen finden." Kindlich mussten die Worte anmuten, die er sprach, direkt an Taréy richtete - und auch, wenn es nicht so schien, so schloss er Akaera in seine Worte mit ein, wenn sie auch in erster Linie tatsächlich dem bunten Rüden galten, diesen aufmuntern sollten, nachdem der Rakocz die Enttäuschung über das verlorene Wesen genommen hatte.
Er fasste sich bevor ihm "Bleib wo du bist" rausrutschen konnte - Nemelios konnte wirklich keine weitere Demütigung gebrauchen. Deshalb nickte der Rüde nur langsam und trat einige Schritte zurück. Der Berghang um sie herum war entmutigend spärlich bewachsen - das würde keine einfache Aufgabe werden. Die Wölbung der Erde unter seinen Pfoten nahm Ashaî bald die Sicht auf den kranken Wolf, aber seine Gedanken konnten sich auch dann nicht von ihm losreißen, als er den Boden sorgfältig auf Spuren untersuchte. Wie kam ein dermaßen ausgezehrter Jäger auf diesen Hang? War er verstoßen worden oder verwaist? Woher-
Oh, das kann man wohl als Glück im Unglück bezeichnen, stellte der Rüde fest als seine Schnauze einen vertrauten Geruch erkannte. Schnell überbrückte er die nächsten Längen bis zu dem blutigen Bündel, das nicht mehr wirklich als Murmeltier zu erkennen war. Dran, dass die Bauchdecke keine Organe mehr beherbergte war klar zu erkennen dass das Tier tot war, und auch, dass es von einem Raubvogel gerissen worden war, wenn auch nicht vor langer Zeit.
"Maßlose Verschwendung...", murmelte der Wolf beinahe bewundernd - wie schön es sein musste sich nur die besten Stücke herauszusuchen und immer noch satt zu werden. Ohne großes Zögern nahm er den Kadaver auf und kehrte auf demselben Weg zurück, den er gekommen war - nur geradliniger.
Er wäre beinahe wieder über Nemelios Körper gestolpert, der im Gras einfach unterzugehen schien wie ein dürrer Ast. Unfähig zu sprechen warf er seine Last ab und schleckte sich die Lefzen sauber.
"Nicht mein Verdienst, aber hier ist ein Happen. Ich weiß, es ist furchtbar wenig." Er ließ seinen Blick über die Höhen und Täler wandern, die Nemelios Rippen auf seine Haut zeichneten. "Ich suche mehr, aber dafür muss ich in den Wald hinunter. Hier oben lässt sich kein noch so dummes Tier blicken... Es wird eine Weile dauern. Wahrscheinlich mindestens bis Tageseinbruch, wenn ich nicht verdammtes Glück habe. Aber ich kann dich holen kommen, wenn ich es geschafft habe."
Er war sich nicht sicher, ob Nemelios ihm zugehört hatte - die Wucht, mit der dieser seine Zähne in dem ausgeweideten Beutestück vergrub, ließ die Knochen knacken wie Zweige.
Ashaî war schon zu lange unterwegs, sein Herzschlag hämmerte ihm bei jedem Schritt in den Ohren. Zeitdruck und Jagd, so viel wahr ihm klar, bereiteten eine denkbar schlechte Mischung, aber er konnte auch nicht anders als sich zu beeilen. Von allen Übeln, die ein Tier befallen konnten, war Hunger das eine, dass er nicht mitansehen konnte. Nicht ohne Galle in seiner Kehle aufsteigen zu spüren und selbst nach Fleisch zu gieren. Knochen, die drohten unter dünner Haut hervorzubrechen, leere, stechende Augen. Das waren die Bilder, die er zu verdrängen gesucht hatte, das Gefühl, das jetzt wieder aus den dunklen Ecken seines Denkens frei zu kommen drohte. Absurderweise wurde der Druck in seinem Magen stärker je weiter er sich von dem jungen Rüden entfernte - mit einem mal war es nicht Nemelios, den er im Gras kauern sah, es waren seine Geschwister, seine Freunde. Sieve. Mit jedem Schritt, den er unter den Bäumen tat, wurde das Bedürfnis größer zu fliehen, obwohl er endlich eine Wildspur entdeckt hatte. Das warme, erdige Aroma der Tiere nicht weit von ihm stieß ihn ab wie eine Krankheit, doch gleichzeitig konnte er sich nicht vorstellen nicht zu jagen. Fünfzig Längen vor ihm knabberten zwei Rehe unbedarft an Eichenzweigen, schwer auszumachen im Dämmerlicht aber unübersehbar für seine Nase, seine Ohren, seinen revoltierenden Magen. In einem großen Bogen näherte sich der Wolf den Beutetieren, langsam und bedächtig, aber nicht angespannt. Der Moment in dem er absprang verschmolz mit dem Geschmack von heißem Blut in seinem Maul und das wilde Ausschlagen der Hufe mit seinem eigenen heftigen Aufprall. Als das Reh aufhörte sich zu bewegen riss Ashaî sich los und taumelte einige Schritte fort von der Leiche. Die Erinnerungen kamen zurück um ihn in diesem Moment des Erfolgs zu peinigen: er wurde den unbändigen Phantomschmerz in seinem Magen nicht los, geschweige denn den in seinem Herzen. Die Erinnerung an Hunger reichte aus, um ihn wieder in die Knie zu zwingen und den metallischen Geruch von Blut unerträglich zu machen. Das war wohl auch der Grund dafür, dass er den Keiler in der Dunkelheit erst ausmachte, als dieser zu nahe war um noch ausweichen zu können.
Ich hab mal unsere alte Shoutbox hierher kopiert (;
.groaned on the wounded, stiffened out the slain.
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